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Karten aus der Vogelschau


Ein „Vogelschauplan“ ist die Bezeichnung für einen Plan oder eine Karte, die eine Stadt oder Landschaft aus der Vogelperspektive zeigt. Das beeindruckendste Merkmal des Kilianplans und anderer Vogelschaupläne ist ihr Detailreichtum.

 

Die Realitätsnähe solcher „Augenscheinpläne“ hängt vom Vermessungsaufwand des Künstlers „am Boden“ ab und benötigt nicht zwingend „realitätsnahe“ Kartografie-Techniken, wie sie zum Erstellen größerer Karten notwendig sind. Allerdings findet sich der allgemeine Trend in der Entwicklung der Kartografie im Mittelalter hin zu mehr Realitätsnähe auch in der Gestaltungsqualität von Vogelschauplänen wie dem Kilianplan.

 

 

Eine kurze Geschichte der Kartografie

Seit wann Menschen Karten erstellen und nutzen ist unbekannt – ab der Entwicklung größerer städtischer Gesellschaften vor ca. 4.000 Jahren sind jedoch zahlreiche Kartendarstellungen überliefert. Schon in der griechischen Antike wurden z.T. sehr genaue Karten des Mittelmeerraums gezeichnet, die von den Römern und Arabern weiterentwickelt wurden.

 

descEine besondere Karte des römischen Reichs ist die sogenannte „Tabula Peutingeriana“ – eine 6,75 m lange und 34 cm breite stilisierte Straßenkarte des römischen Reichs um das Jahr 375 n.Chr. mit Entfernungsangaben.

Der Augsburger  Stadtschreiber Konrad Peutinger (1465-1547) gelangte um das Jahr 1507 in den Besitz einer Kopie der auf antike Vorläufer zurückgehenden Karte und bereitete eine Veröffentlichung vor, die jedoch erst nach seinem Tode durch den Augsburger Verleger Markus Welser (1558-1614) zustande kam.

 

Verglichen mit dem hohen Wissensstand der Antike war die europäische Kartografie zu Beginn des Mittelalters ein bedeutender Rückschritt. Die antiken Kenntnisse wurden aber in der islamischen Welt weitergepflegt und gelangten ab dem 14. Jahrhundert wieder zurück nach Europa, wo sie eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Seefahrt spielten.

 

 

Vogelschaupläne geben Orientierung

Ab dem 16. Jahrhundert entstanden in Europa neue Formen der Kartenprojektion und es wurden auch neue Kartentypen für unterschiedliche Praxiseinsätze entwickelt, wie z.B. Reisekarte als Vorläufer des Straßenatlas oder Stadtansichten aus der Vogelschauperspektive für Kaufleute.

 

Die meist von Landesherren oder Adeligen in Auftrag gegebenen Vogelschaupläne dienten aber auch der Sicherung und Abgrenzung von Gebiets-, bzw. Besitzansprüchen und wurden daher auch zur Klärung von Rechtsstreiten herangezogen. In Verbindung mit der Entwicklung der Technik des Kupferstichs ergaben sich so neue Verdienstmöglichkeiten für Drucker und Verleger. Viele Vogelschaupläne gingen im Laufe der Jahrhunderte verloren und existieren heute nur noch als Reproduktionen.

 

descBekannte Vogelschaupläne wurden, wie auch der Kilianplan, oft nach ihren Erstellern benannt. Einer der ältesten Grundrisspläne der Stadt Augsburg aus der Vogelperspektive wurde im Jahr 1521 vom Augsburger Goldschmied Jörg Seld erstellt. Ein Nachdruck des 190 x 81 cm großen Plans hängt heute im Schaufenster des Geodatenamts in der Welserpassage (Maximilianstr. 6a) und kann dort auch käuflich erworben werden.

 

Ende des 16. Jahrhunderts waren städtebauliche Veränderungen der Anlass für die Erstellung neuer maßstabsgerechter Stadtpläne. Mit seiner Größe, Qualität und Genauigkeit übertraf der 1626 gedruckte Stadtplan Wolfgang Kilians dabei alle vorangegangenen Pläne.

 

 

Bildhafte Stadtgeschichte

Mit dem Beginn der amtlichen Landesvermessung in Bayern im Jahr 1801 begann die moderne Kartografie auf Basis neuer Vermessungstechnik und für die Vogelschaupläne bestand keine weitere Verwendung mehr.

 

Für Historiker, Stadtarchäologen, Geographen, Soziologen und Archivare sind Vogelschaupläne heute jedoch wertvolle Forschungsobjekte, denn sie dokumentieren nicht mehr vorhandener Gebäude, Straßen und Wasserläufe und die ermöglichen die Erforschung der Stadtgeschichte. Vogelschaupläne helfen auch beim Verständnis alter Ortsbezeichnungen oder der Schilderungen von Gegebenheiten, die in alten Briefen oder Ratsprotokollen überliefert sind.

 

 

 

(Abb.1: Ausschnitt der Tabula Peutingeriana (Konrad Millers Version von 1887), Quelle: Bibliotheca Augustana, PD-Art

Abb.2: Vogelschauplan Augsburgs von Westen, 1521, Quelle: Behringer, Wolfgang/Roeck, Bernd (Hgg.): Das Bild der Stadt in der Neuzeit 1400-1800, München 1999, Tafel VI, PD-Art)